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Expeditions-Logbuch

10. März 2022

07.08.2021: Nuuk

Wachroutine... Ein Schiff fährt sich nicht von allein, obwohl wir auf der "Dagmar Aaen" sogar einen Autopiloten haben, der uns – zumindest bei Maschinenfahrt – das Leben leichter macht. Paulchen, wie wir unseren beliebten Helfer nennen, kann zwar fantastisch Kurs halten, aber schöbe sich ein Eisberg in den ihm aufgetragenen Kurs, stieße seine Loyalität an ihre Grenzen. Nach Eisbergen Ausschau halten muss also die Crew, und um das rund um die Uhr gewährleisten zu können, rotieren wir zu festgeschriebenen Zeiten durch immer gleiche Grüppchen, sogenannte Wachen.

Von 0-4 Uhr frieren Kris und Tom in der Hundewache an Deck, die sich ihren Namen durch Dunkelheit und Kälte verdient. Von 4-8 sind dann Lea, Franzi und Nick dran und dürfen meist den Sonnenaufgang bewundern, bevor von 8-12 Brigitte und Sigga übernehmen. Um 12 Uhr geht das ganze Spielchen dann von vorne los, so dass ein jeder stets vier Stunden Wache schiebt und anschließend acht Stunden sowas wie frei hat, soweit es das an Bord eines fahrenden Schiffs überhaupt gibt. Arved ist als Kapitän keiner spezifischen Wache zugeteilt. Allerdings ist er mit Routenplanung und allgemeiner Logistik durchaus eingebunden und muss damit rechnen zu jeder Tag- und Nachtzeit geweckt zu werden, weil ein Problem auftritt. Auch unser Smut Elise nimmt nicht an der Wachrotation teil, um sich ganz auf die Verpflegung der fast immer hungrigen Crew konzentrieren zu können.

Natürlich beschränken sich die Aufgaben einer Wache (oder Schicht, wie Nick sie beharrlich nennt) nicht alleine auf das Erspähen von Eisbergen. Die Fahrwache erfüllt zahlreiche Aufgaben. Unter anderem beobachtet sie Wetter und See, stellt sicher, dass Paulchen immer weiß, welchen Kurs er halten soll, studiert die Seekarte, um Untiefen zu umschiffen, dokumentiert Position, Kurs, Geschwindigkeit, Wetter und andere Parameter im Logbuch, schmiert bei Maschinenfahrt alle zwei Stunden die Welle und ein paar Pumpen ab, überprüft Öldruck und Temperatur, setzt oder birgt auch schon mal ein Vorsegel, wenn der Wind Änderungen vorschlägt, und weckt, auf baldige Ablösung blickend, die nächste Wache. Zudem muss unter Segelantrieb und bei Fahrten durch Eisfelder, Fjorde oder Sunde manuell gesteuert werden.

Wie eine Wache verläuft, hängt hauptsächlich vom Wetter ab. Bei guter Sicht, flacher See und nur gelegentlichen Eisbergen können die Matrosen auf dem Achterdeck beim Rudergänger zusammenstehen, und sich – solange sie von dort aus die See voraus stets im Blick behalten – unterhalten und entspannen. Einige Crewmitglieder haben sich sogar im 1. SC Oberdeck zusammengeschlossen und powern sich bei Bulgarian Squats und Yoga aus. Ist die Sicht aber schlecht oder viel Eis um uns herum, muss stets ein Crewmitglied vorne am Bug Ausguck gehen. Speziell die Zweierwachen Brigitte und Sigga, beziehungsweise Kris und Tom kommen dann kaum dazu, auch nur ein paar Worte zu wechseln. Einer steht immer alleine am Bug, während der andere alleine auf dem Achterdeck am Ruder steht. In diesen Fällen ist man durchaus froh, wenn die Wache vorüber ist.

Dafür, dass man sich nicht immer darauf verlassen kann, in seiner Freiwache auch wirklich frei zu haben, gibt es verschiedene Gründe. Ein Crewmitglied zum Beispiel übernimmt jeden Tag die Backschaft. Der Backschafter spült nach allen Malzeiten ab und putzt beide Toiletten und die Böden im ganzen Schiff. Das muss natürlich während der Freiwache geschehen. Zudem kann es jederzeit passieren, dass alle Hände an Deck benötigt werden – hauptsächlich, wenn es darum geht, das Großsegel zu setzen oder zu bergen. Der gravierendste Faktor aber, der uns allen den Schlaf raubt, ist die FOMO, die Fear of missing out, also die Angst, etwas zu verpassen. Bei den atemberaubenden Landschaften, die wir durchfahren, ist die Gefahr, durch Schlaf etwas zu verpassen, einfach zu groß.

 

Expeditions-Logbuch

(19.08.2021: Expedition unterbrochen)
(30.07.2021: Der Süden Grönlands)