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Expeditions-Logbuch

10. März 2022

12.09.2021: Tasiilaq

Nach mehreren Tagen auf See freuen sich besonders diejenigen, die noch nie in Tasiilaq waren darauf, wieder einen neuen Ort zu erkunden, während die anderen gespannt auf die Veränderungen sind, die die Corona-Pandemie mit sich gebracht hat. Tasiilaq hat etwa zweitausend Einwohner und liegt malerisch an den steilen Uferhängen des Tasiilaq-Fjords. Hohe Berge, die Bergsteiger und Kletterer anziehen, die Nähe zum Inlandeis, mächtige Gletscher, die unweit der Stadt bis ans Wasser reichen und es mit Eisbergen versorgen, sowie ein notorisch blauer Himmel machen die größte Stadt der Ostküste zu einem beliebten Touristenziel.

Arved, Brigitte und die "Dagmar Aaen" waren schon häufig in Tasiilaq und haben in Robert Peroni einen guten Freund vor Ort. Der ehemalige Extremsportler und Leiter zahlreicher Expeditionen wie der Erstdurchquerung des grönländischen Inlandeises an seiner breitesten Stelle lebt seit vielen Jahren in Tasiilaq und betreibt dort das Hotel „The Red House“, das sich einem umweltfreundlichen Tourismus und dem Erhalt der Inuit-Kultur verschrieben hat.


Diverse Expeditionen mit Einheimischen – auch schon zu Zeiten, als diese noch traditioneller lebten – machten Robert zu einem großen Bewunderer für ihre natürliche Nachhaltigkeit bei der Jagd, ihren Respekt vor allen Wesen und ihre ganzheitliche, nicht auf Erfolg abzielende Mentalität, und so beschäftigt er heute ausschließlich Grönländer in seinem Betrieb. Über achtzig Menschen hat er auf diese Weise zu Arbeit verholfen, doch die Pandemie hat auch ihm zugesetzt. Der Ausfall dreier voller Tourismus-Saisons – zwei Sommer und ein Winter – zwang ihn, seine komplette Belegschaft zu entlassen.


Robert lädt die gesamte Crew zum Abendessen in sein Red House ein und berichtet emotional von den Auswirkungen, die Corona auf diese vom Tourismus so abhängige Gemeinde hatte. Wein darf er uns an diesem Abend nicht zum Essen anbieten. Alkohol ist ohnehin ein Problem unter den Einheimischen, die zum Teil noch vor sechzig Jahren lediglich mit traditionellen Waffen jagten und in nur von Tranlampen und Körperwärme beheizten Behausungen aus Tierhaut, Treibholz oder Schnee lebten. Zu viele suchen im Suff Zuflucht vor ihrem Frust über den Verlust ihrer kulturellen Identität und die Probleme mit der aufgezwungenen Transition zu einer modernen Lebensweise. Corona hat die Verzweiflung nur verstärkt. Am vergangenen Wochenende gab es zwei Selbstmorde in Zusammenhang mit Alkohol – daher das behördliche Ausschankverbot.


Und auch der Klimawandel zeigt in Tasiilaq – wie in der gesamten Arktis – stärkere Auswirkungen als in den niedrigeren Breiten. Früher, berichtet Robert, hätten sie hier dreihundert Sonnentage im Jahr gehabt. Inzwischen regnet es häufiger und leider auch während unseres Aufenthalts. Nur einen Tag erleben wir Sonnenschein, doch dieser Tag entschädigt für Vieles, denn am Abend nutzen riesige Nordlichter, die Bänder über den gesamten Himmel spannen, die Abwesenheit der Wolken für ein fantastisches Schauspiel.


Auch Robert blickt wieder optimistisch in die Zukunft. Er hofft, bald schon alle entlassenen Mitarbeiter wieder einstellen zu können. Und vielleicht hat er sogar ein noch viel größeres Geschenk für sie auf Lager. Mit weit über siebzig trägt er sich mit dem Gedanken, einigen seiner treuesten Mitarbeiter seinen Betrieb komplett zu vermachen.


Kris


 

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