Expeditions-Logbuch
07. August 2024
Rote Häuser im Nirgendwo
Die Bäreninsel ist ein Naturreservat, das nur mit behördlicher Genehmigung betreten werden darf. Wir haben das entsprechende Papier vom Sysselmesteren (Gebietsverwalter) von Svalbard bekommen und setzen per Dingi von der Dagmar Aaen zu den Fragmenten einer Betonpier im Norden der Insel über.
Auf einer Anhöhe stehen die einzigen Häuser der Bäreninsel. Insgesamt 11 Gebäude, alle in Schwedenrot gestrichen. Dazu vier hochhaushohe Antennenmasten, im Quadrat aufgestellt. Norwegen betreibt hier auf 74 Grad 30 Minuten Nord eine Wetterstation.
Acht Menschen leben in der Einöde, jeweils für ein halbes Jahr. Ein gut bezahlter Job. Eine nur zweiwöchige Ausbildung in Tromsö reicht, um die Aufgaben in der Station bewältigen zu können, erzählt uns Amalia S. Nyheim, eine 25 jährige Studentin. Es geht nicht um wissenschaftliche Arbeit, sondern um das Sammeln von Wetterdaten. Zweimal am Tag wird ein Heliumballon gestartet, der bis in eine Höhe von 3000 ft Temperatur und Luftdruck misst und die Ergebnisse an die Station sendet. Aus den Daten wird täglich ein Wetterbericht verfasst und um 12.05 Uhr und um 00.05 Uhr per Funk an die Seefahrt verbreitet. Mehr gibt es nicht zu tun. Ob im Hintergrund auch das Militär aktiv ist, können wir nicht beurteilen.
Ein Mitglied der achtköpfigen Mannschaft kümmert sich um die Instandhaltung der technischen Einrichtungen. Es gibt zwei Traktoren und zwei Generatoren, von denen einer ständig läuft. In einer Halle steht ein 3000 Tonnen Dieseltank. Die Treibstoffmenge reicht, um die Station 18 Monate lang zu heizen und mit Strom zu versorgen. Geheizt wird derzeit fast gar nicht, erklärt uns Roger Ravlo-Losvik, denn das Wetter ist außergewöhnlich gut, die Sonne scheint 24 Stunden lang. Ganz anders war es im Juli, da gab es einen Monat lang den für die polaren Regionen typischen Nebel mit entsprechender Kälte.
Roger ist ebenfalls für ein halbes Jahr hier. Der 47 jährige kommt aus Oslo, arbeitet normalerweise für das Militär und freut sich über den guten Nebenverdienst. Einzige Abwechslung für den Stationsmannschaft sind Besucher wie wir.
Amalia zeigt uns die kleine Boutique in der es Souvenirs der Bäreninsel zu kaufen gibt. Und dann ist unser Besuch auch fast schon wieder zu Ende, denn pünktlich um 17.00 Uhr gibt’s in der Station Abendessen und das will niemand verpassen.
Zum Abschied erfahren wir noch, dass der letzte Eisbär auf der Bäreninsel 2022 gesichtet wurde. Wahrscheinlich kam er auf einer massiven Eisscholle, die aus dem winterlichen Meereisgürtel von Svalbard Richtung Süden trieb. Ihrem Namen gerecht wurde die Insel eigentlich nie. Für die Namensgebung ist der Niederländische Seefahrer Willem Barents verantwortlich, der im 16. Jahrhundert das Eiland entdeckte. Nachdem ein Jäger aus seiner Mannschaft einen Eisbären erlegte, nannte Barents die Insel kurzerhand Bäreninsel. Für uns wartet nach einem interessanten Tag ein leckeres Abendessen, denn wir hatten mal weiser Anglerglück und fingen zwei kapitale Dorsche.
Am nächsten Tag gehen wir Anker auf und verlassen den nördlichsten Punkt unserer Reise Richtung Süden. Wir gehen vor Kapp Duner vor Anker und senden ein letztes Mal ein Expeditionsteam auf Erkundungstour. Marie, Uli, Richard und Thomas setzen mit dem Dingi über und erkunden den Westteil der Insel. Am Nachmittag gehen wir ein letztes Mal Anker auf und setzen die Segel für den Rückmarsch..
Bei wunderbarem Sonnenschein erleben wir nebenbei noch ein echtes Naturschauspiel: plötzlich sehen wir rund ums Schiff einen Blas nach dem anderen. Blas nennt man das Ausatmen und Luftholen der Wale. An der typischen Rückenfinne erkennen wir die gigantischen Tiere: Es sind Finnwale, die bis zu 22 Meter lang werden. Die Kameras klicken im Sekundentakt.
Für uns hat nun die Rückreise begonnen. Das nächste Ziel liegt im Süden - Norwegen.
Matze & Thomas
Position: 74.504092, 18.998365