Expeditions-Logbuch
16. August 2023
Ozeanbeobachtungen mit der Tiefensonde
In diesem Logbucheintrag wollen wir uns die schon mehrfach erwähnte ozeanografische Tiefensonde einmal etwas genauer ansehen.
Sie ist das wichtigste Werkzeug in der messenden Ozeanografie, mit dem sich horizontale Schichtungen und Strömungen von Wassermassen beobachten lassen. Diese Informationen werden benötigt, um physikalische Durchmischungsprozesse und die Verteilung von gelösten Substanzen zu erklären, die wiederum die Rahmenbedingungen für das Vorkommen mariner Lebewesen in bestimmten Regionen und Wasserschichten bilden.
Wie an dieser Stelle nur angedeutet werden kann, sind Physik und Chemie des Meeres damit sehr eng mit der Biologie, dem Leben im Meer, verzahnt. In den Meereswissenschaften ist darum eine disziplinenübergreifende Betrachtung notwendig.
Die Ozeanografen nennen diese Tiefensonde wegen ihrer Kombination von Sensoren häufig auch „CTD“, was für elektrische Leitfähigkeit (conductivity), Temperatur und Tiefe (depth) steht.
Meerwasser leitet den elektrischen Strom sehr gut aufgrund seines Salzgehaltes. Umgekehrt lässt sich der Gesamtgehalt an im Meerwasser gelösten Salzen durch die Ermittlung der elektrischen Leitfähigkeit bestimmen.
Der Verlauf der Wassertemperatur und des Salzgehaltes über die Tiefe, d.h., das Tiefenprofil ist ausschlaggebend für die Schichtung bzw. die vertikale Durchmischung und Bewegung von Wassermassen. Aus der Kombination aus Wassertemperatur und Salzgehalt resultiert eine bestimmte Wasserdichte. Dabei gilt: Kaltes Wasser ist schwerer als warmes und salzreiches schwerer als salzarmes (süßeres) Wasser.
Eine stabile Wasserschichtung entsteht, wenn Wasser geringerer Dichte über einer Wassermasse höherer Dichte liegt. Das kann z.B. dadurch erfolgen, dass Oberflächenwasser durch Frischwassereinträge aus Flüssen, Regen oder schmelzendem Eis verdünnt wird.
Im Gegensatz hierzu können verschiedene dynamische Prozesse zu instabilen Schichtungen führen. Zum Beispiel kann die Abkühlung von oberflächennahen Wassermassen in den Polarregionen oder die Bildung von Meereis, welches als Süßwasser gefriert und dabei sein Salz ausscheidet den Salzgehalt des verbleibenden Meerwassers erhöhen.
Auch das seitliche Einmischen einer Wasserschicht in eine andere kann eine Wasserschicht höherer Dichte an der Meeresoberfläche entstehen lassen. Derartige instabile Schichtungen resultieren meist in einer Vertikalbewegung (Advektion) von Wassermassen.
Mit dem horizontalen oder vertikalen Transport von Wassermassen werden auch gelöste Stoffe transportiert, die für das Leben im Meer wichtig sind.
Ein Beispiel ist der Sauerstoff, welcher durch den Kontakt des Meerwassers mit der Atmosphäre aufgenommen und durch Advektion bis zum Meeresboden transportiert und somit dort „aerobes“ Leben ermöglicht. Umgekehrt werden in „Auftriebsgebieten“ Nährstoffe von unten nach oben transportiert, die so wieder neues Algenwachstum im Oberflächenozean bewirken, welches als Nahrungsgrundlage vieler anderer Meereslebewesen dient.
Moderne CTD-Sonden werden oft noch um weitere Sensoren ergänzt, z.B. zur Messung des Sauerstoffgehaltes, des pH-Wertes, der Trübung oder des Gehaltes an Chlorophyll. Die CTD-Sonde, die uns Sea & Sun Technology für die Ocean Change Expeditionen zur Verfügung gestellt hat, kann neben den Standardgrößen Temperatur, Salzgehalt und Tiefe auch Sauerstoff und Chlorophyll (eigentlich grünen Farbstoff im Wasser) messen.
Dieses Messgerät ist ein technisches Meisterstück: Auf engstem Raum sind hochpräzise Einzelsensoren an der Unterseite des Gerätes angeordnet. Sie werden angesteuert durch einen Rechner, welcher - ebenso wie Datenspeicher und Batterieversorgung - in einem druckstabilen Titangehäuse untergebracht sind. Die Sonde kann, mit einem Notebook verbunden, programmiert bzw. ihre Daten ausgelesen werden. Zum Ein- und Ausschalten des Gerätes wird einfach ein Magnetstift an eine Markierung gehalten, so dass wir bei schlechtem Wetter nicht mit dem Notebook an Deck arbeiten müssen.
In den auf der BELUGA-Seite des GEOMAR veröffentlichten CTD-Profilen kann man häufig gut beobachten, dass Chlorophyll-Werte und Sauerstoffsättigung einen ähnlichen Verlauf nehmen. Dies liegt daran, dass Algen bei ihrer Photosynthese, in der sie Sonnenlicht und CO2 aufnehmen, Sauerstoff freisetzen. Weltweit kommt, statistisch betrachtet, jeder zweite Atemzug, von Algen aus dem Meer.
Die Profile zeigen auch gut, wie die Wassersäule bei starkem Wind oder an Stellen mit starken Strömungen durchmischt wird: in diesem Fall bleiben die Messwerte von Temperatur und Salzgehalt über den durmischten Tiefenbereich gleich.
Oftmals lässt sich in unseren CTD-Profilen meist direkt unterhalb einer durchmischten Oberflächenschicht eine sog. Sprungschicht erkennen. Hier ändern sich v.a. die Messwerte für Temperatur, Sauerstoff und Chlorophyll sehr schnell.
In den schottischen Gewässern, die wir derzeit befahren, wird Wasser aus dem Atlantik in die Nordsee und ihre Randbereiche eingemischt. Durch die Topographie des Meeresbodens bedingt, ist diese Durchmischung teils so intensiv, dass wir selbst in flachen Bereichen zwischen den Inseln Strudel an der Wasseroberfläche beobachten konnten.
Am südlichen Kap des Mull of Kintyre und besonders eindrucksvoll am Coreywreckan. Diese Strudel sind teilweise so stark, dass sie kleineren Schiffen gefährlich werden können.
Position: 56.543792, -5.523376