Expeditions-Logbuch
05. August 2024
Der Weg zur Bäreninsel
Grau, schwer und undurchdringlich liegt der Nebel über der ölig ruhigen See. Nur der Schwell lässt die Dagmar Aaen sanft hin und her rollen. Wir haben die Bäreninsel erreicht. Unser Problem: Wir können die 2002 zum Naturreservat erklärte Insel auf 74 Grad Nord nicht sehen. Der Nebel hat das Eiland fest im Griff. Nur das Geschrei von Seevögeln verrät uns, dass das Ufer nicht weit sein kann.
Rund 48 Stunden hatte die Reise von Hammerfest in den Norden gedauert. Zuerst durch einen Bereich mit Böen bis zu 30 Knoten und kräftigem Seegang – anstrengendes, aber schnelles Segeln. Dann nahm der Südostwind Schritt für Schritt ab und wir hatten die Gelegenheit, das Datensammeln für die Wissenschaft fortzusetzen. Die Tiefensonde kam einmal mehr zum Einsatz. Auf dem 73. und 74. Breitengrad konnten erfolgreich Driftbojen der französischen Wetterbehörde France Meteo ausgesetzt werden.
Um ein Haar hätte es auch noch ein Rendezvous mit dem Deutschen Forschungsschiff Polarstern gegeben. Deren Kapitän schickte uns spät in der Nacht eine Einladung an Bord des bekannten Schiffes. Als Ort für das Treffen auf See schlug er eine Position auf 73 Grad 30 Minuten Nord vor. Doch als uns die Nachricht erreicht, sind wir schon ein ganzes Stück weiter nördlich. Ein Umdrehen wäre für beide Seiten zu zeitaufwändig gewesen. Pech gehabt.
Nun also die Bäreninsel: Mit Radarunterstützung drehen wir im Blindflug eine Runde durch die Sörhamna, eine Ankerbucht im Südosten. Ab und an reißt der Nebel auf und wir sehen das zerklüftete, felsige Ufer – ein Anlanden dort wäre eh nicht möglich gewesen.
Mehr Glück haben wir etwas weiter nördlich. Die Damar Aaen ankert vor der Kvalrossbugta. Mit aller Vorsicht geht das Dingi in der bewegten See zu Wasser. Eingepackt in Trockenanzüge und ausgerüstet mit Kompass, Funk, mobilem Echolot und AIS Sender machen sich Ole, Thomas und Matze auf eine Erkundungstour. An einem Sandstrand klappt das Anlanden problemlos.
Ein beeindruckender Ort. Fragmente von Holzkonstruktionen, ein riesiger Heizkessel und eine verrostete Winde sind Relikte einer Walfangstation aus dem frühen 20. Jahrhundert.
Ein paar Seemeilen nördlich fällt erneut der Anker der Dagmar Aaen. Siloodden nennen die Norweger die Bucht vor der ehemaligen Siedlung Tunheim, wo von 1916 bis 1925 Kohle gefördert wurde. Während die Crew das Gelände mit den Resten der ehemalige Steinkohle-Verladestation erkunden, ruft Arved die Wetterstation im Norden der für Touristen gesperrten Insel an.
Wir haben eine offizielle Genehmigung des zuständigen Sysselmann – dem Gebietsverwalter von Svalbard (Spitzbergen), uns hier aufzuhalten. Die Crew der Wetterstation sind die einzigen Menschen, die auf der Bäreninsel leben. Und die sind erfreut über unsere Kontaktaufnahme. „You are more than welcome“ teilt man uns per Funk mit. Es bleibt also spannend…
Matze
Position: 74.484439, 19.186249